[1] - Volle StVZO-Konformität |
Das Tacho-Display zeigt 00:45, es ist Freitag früh. Mein Rad lehnt an einem Baum an einer Kreuzung, und ich versuche, die Ortsnamen auf den Hinweisschildern zu dekodieren und mich auf meiner Landkarte wiederzufinden. Hier bin ich jedenfalls falsch. Aber warum bin ich hier, und wie und wann bin ich hier hingeraten?
Am Montag morgen sah alles prima aus. Naja, fast - Start zum ersten "offiziellen" 1200km-Brevet auf deutschem Boden sollte um 10:00 sein, und ich war mal wieder ein bisschen knapp in der Zeit. Erst um 9:56 war ich am Startort, gerade mal rechtzeitig, um noch einen Startstempel zu bekommen und mir Karls wärmende Worte anzuhören, die er in traditioneller Weise auf einer Leiter stehend an die Starter richtete. Verpasst hatte ich dadurch wohl den ganzen unterhaltsamen Teil - Musikkapellen, Ansprachen und was weiß ich. Immerhin hatte ich vorher im Hotel sehr ausgiebig gefrühstückt und gut geschlafen, und das war mir fast ebenso wichtig.
Dann der Start! Ziemlich genau 80 Randonneure wagten sich schlussendlich auf die Strecke. Mir war von vornherein klar, dass ich schon bald am Ende des Pelotons fahren würde, aber dass das bereits nach 8 km der Fall sein würde, nach dem ersten ernsthaften Anstieg heraus aus Treuchtlingen, überraschte mich dann doch. Aber ich fühlte mich gut, die Beine liefen geschmeidig, und so war es mir ziemlich egal, dass ich das Feld nur noch zweimal weit vorne am Horizont aufblitzen sah.
Ereignislos die ersten welligen Kilometer, lediglich die schwarze Wolkenwand genau in Fahrtrichtung machte mir etwas Sorgen. Nach etwa 35 km war es dann endlich soweit, und es gab den - bereits angedrohten - Starkregen. Aber was will man anderes machen als weiterfahren. Dann fiel mir ein Pkw auf, der mich überholte und wenige hundert Meter vor mir in einen Feldweg einbog. Der Fahrer sprang raus, lief auf die rechte Fahrbahnseite - und applaudierte! Sehr krass :-) (Später stellte sich heraus, dass es sich um einen altgedienten Rennfahrer handelte, der aus der Zeitung von dem Brevet erfahren hatte und sich jetzt als echter Aficionado erwies.)
[2] - Kostenfrei Duschen bei Mutter Natur |
[3] - Karl und Frank |
Weitere ereignislose, nasse Kilometer. In Harburg gab es die erste Durchfahrt durch einen lauschigen Ortskern - es sollte sich zeigen, dass diese Art der touristischen Streckenführung zu Karls Konzept gehörte, und mir hat das gefallen, auch wenn man sich es - wie hier - mit Kopfsteinpflaster und einer anschließenden 12%-Steigung aus derm Ortskern heraus erkaufen musste.
Unmittelbar vor der ersten Kontrolle dann meinte ich auf einem vollgefederten Rad zu sitzen. Es war aber nur Luftverlust im Hinterreifen. Mit dreimaligem Nachpumpen rettete ich mich bis zur Tankstelle in Wertingen (wobei vorher die zweite von gefühlt 251 Baustellen zu passieren war), wo ich dann den Schlauch wechseln und mich danach ein wenig frischmachen konnte. Und dann endlich Nahrung aufnehmen! Just als ich den letzten Bissen hinuntergewürgt hatte, kreuzte Felix mit seinem Liegerad auf. War ich doch nicht letzter! Auch er hatte bereits seine Reifenpanne hinter sich und schlug dann vor, dass wir die Reise zusammen fortsetzen sollten.
Und so fuhren wir zusammen weiter, zunehmend durch Gegenden, die ein wenig nach Nichts aussahen. Das machte mir ein wenig Sorge, denn bis zur nächsten Kontrolle sollten es nochmal über 80 km sein, und ein Zwischenimbiss würde mir ganz gut bekommen. Irgendwo unterwegs sahen wir auch den ersten an einer Tankstelle stehen und warten, der wegen heftiger Knieprobleme aufgeben musste. Und dann, nach einen erneuten kräftigen Schauer, dann auch endlich ein kleiner Lebensmittelmarkt, den wir sogleich stürmten. Aber: Fast alle Getränke schon ausverkauft! Offensichtlich waren wir auch hier nicht die ersten. Belegte Brötchen machte man mir aber trotzdem, und die Kassiererin wunderte sich schon, ob plötzlich die Tour de France durchs Dorf führte. Wir konnten sie aber beruhigen.
Kurze Zeit später dann Kontrolle an der BAB-Raststätte Illertal-Ost. Es ist immer ein besonderes Gefühl, eine solche mit dem Rad zu befahren, und die hier lohnte das durch ihre wirklich einmalige Architektur besonders. Die Preise hatten aber dennoch übliches Raststätten-Niveau. Trotz der Brötchen aus dem leergekauften Supermarkt konnte ich mir eine Verpackungseinheit Schokokekse und eine Cola reindrücken, während Felix seinen Hinterradschlauch, seit seinem ersten Defekt bei km 7 ein unsicherer Kantonist, austauschte.
[4] - Kunst und Rasten: Illertal |
[5] - Felix sucht und findet |
Dann ging es weiter, d.h. erst einmal ca. 4 km die gleiche Strecke retour, und an der Abzweigung kam uns dann noch ein Randonneur auf dem Weg zur Kontrollstelle entgegen. Teufel auch, immer noch nicht letzte? Leider ist mir aber über seinen Verbleib nichts weiter bekannt. Bis zur nächsten Kontrolle in Roßhaupten sollten es 103 km sein, und eigentlich fühlte ich mich gut und in der Lage, das durchzufahren. Wegen der Pannen und der Flickerei waren wir schon bedenklich nahe am Kontrollschluss unterwegs, und ich hegte immer noch die heimliche Hoffnung, bis Roßhaupten ein paar Minuten herausfahren zu können, um dort dann zumindest ein Stündchen schlafen zu können.
Soweit die Theorie. Ein erster Stop kurz nach 9 war noch geplant, um uns nachtfertig zu machen und noch schnell eine Kleinigkeit zu snacken. Danach wieder ein touristisches Highlight: die Ortsdurchfahrt durch Ottobeuren mit einer wunderschönen, beleuchteten Basilika als Magnet. Unklar war uns nur, wie genau wir durch den Ort fahren sollten - da entdeckte ich einen Priester, der gemessenen Schrittes zur Kirche hinaufging. Leider habe ich ihn wohl zu Tode erschreckt, als ich zu ihm auffuhr und ihn unvermittelt von hinten ansprach, um nach dem Weg zu fragen. Nach einer Schrecksekunde gab er aber bereitwilligst Auskunft.
Kurze Zeit später rächte es sich dann zum ersten mal, dass Felix am Tag vorher noch ein Liegeradrennen in Leer (Ostfriesland) gefahren war. Ihn drängte es nach einer klitzekleinen Schlafeinheit, die ich dazu nutzte, Freunde und Verwandte per SMS von meinem Fortkommen zu informieren. Der Schlaf hielt aber nur eine Stunde vor... da kam von hinten die Bemerkung, dass er sich noch mal legen müsse. Wir kamen überein, dass ich dann zumindest bis Roßhaupten weiterfahren solle. Am Ortseingang von Börwang war Felix, gerade noch 200 m hinter mir, plötzlich weg. Ich wartete kurz, dann wurde mir mulmig. Sollte er seine Drohung wahrgemacht und vor Müdigkeit in den Graben gefahren sein? Die letzten 3 km fuhr ich dann noch zwei mal ab, aber keine Spur meines Mitstreiters. Entnervt gab ich auf, machte mich auf den Weg zur Kontrollstelle und hoffte nur, dass mich späterhin keine Hiobsbotschaft ereilen würde.
[6] - Verköstigung in Roßhaupten |
In Roßhaupten erwartete mich eine hübsche junge Dame, gekleidet in die landesübliche Tracht, die an einem Kontrollstellen-Warnschild auf der Straße stand. Ein schöner Anblick, und motivierend! Ebenfalls tröstlich war die Tatsache, dass hier noch mehr Fahrräder standen, ich also nicht hoffnungslos zurücklag. Das Personal der Gaststätte war auf Zack und kam sofort mit Getränk und einem Teller Nudelgericht an. Und als ich noch so da saß und aß... kam Felix durch die Tür. Zum Glück war er nicht geräuschlos in einen Abgrund gefallen, sondern hatte sich am Ortseingang von Börwang hinter einen Holzstapel auf einem Firmenhof hingelegt. Da kann man natürlich lange suchen... Wir beschlossen, noch ein paar Minuten zu ruhen (so 15-20) und dann aufzubrechen, denn der Kontrollschluss war schon wieder sehr bedenklich nahe.
Der folgende Abschnitt erwies sich als technisch schwierig. Den Anfang machte ein "Durchstich" vom Forggensee nach Prem über ein extrem schmales, unbeleuchtetes und im schlechten Zustand befindliches Sträßchen, und wenige Kilometer später war die Straße in ganzer Breite zur Baustelle geworden - Länge und Beschaffenheit unklar. Wir entschieden uns, einen Feldweg zu nehmen, der ungefähr parallel zur (vermuteten) Trasse lief, und das klappte auch einigermaßen, auch wenn der Schotter einen Gutteil meiner Nerven kostete. Und nochmals wenige km später machte uns ein Schild misstrauisch, das ein weiteres Teilstück als gesperrt und eine großräumige Umleitung auswies. Nun ist das mit gesperrten Straßen so eine Sache - vieles davon kann man mit dem Rad exzellent befahren, also wagten auch wir die Einfahrt in die Baustellenstraße. Nicht damit gerechnet hatten wir, dass kurz vor Ende der Strecke eine Brücke über einen nicht ganz schmalen Bach fehlte. Es gab zwar eine "Behelfsbrücke" in Form zweier glitschiger Baumstämme, aber danach war mir dann doch nicht. Also, nach einigen Diskussionen, wieder zurück und einen Milchlaster-Fahrer nach einer Umleitung befragt, womit er auch dienen konnte. Endlich in Rottenbruch angekommen, belohnten wir (inzwischen war auch Elisabeth zu uns gestoßen) uns mit einem Frühstück; Felix nahm eine obligatorische Halbstunde Schlaf.
Nach dem Forggensee, von dem wir wegen Dunkelheit so gar nichts hatten, kamen jetzt die nächsten Seen - im frühen Morgenlicht teilweise sehr schön anzusehen. Kurz hinter dem Staffelsee, nach der Durchfahrt durch Murnau, beschlossen Felix und ich endgültig, uns zu trennen, da er nochmal eine größere Ruhepause brauchte. Mir war aber schon bald sehr nach einem zweiten Frühstück, und ich hoffte inständig, dass Kochel am See eine schöne Bäckerei dafür bereithielt. Aber entweder war ich zu blöd, die zu finden, oder es gibt dort tatsächlich keine - der nächste Brötchenversorger fand sich erst hinterm Ortsausgang an einem Campingplatz, direkt am Fuß des Aufstiegs zum Walchensee. Dort traf ich dann Mike und Wim, die ihr ausgiebiges Frühstück so gut wie beendet hatten.
Durch das traditionelle Brevet-Gericht (zwei belegte Brötchen und 0.5 l Cola) erfrischt, war der Aufstieg kein Problem und erfreute darüberhinaus mit schönen Ausblicken auf den Kochelsee und einer angenehm zu fahrenden, gleichmäßigen Steigung. Oben angekommen liegt dann auf einer Art Hochplateau der Walchensee, den es halb zu umrunden galt. Insb. das Südufer des Sees, nur zu passieren über eine (für Fahrräder kostenfreie) Mautstrecke, ist sehr lauschig; ich kannte das Stück bereits von Jörgs 400er. Außerdem gabs nun endlich einmal wieder ein flaches bzw. sogar leicht abfallendes Teilstück bis Lenggries, wo ich - zu Ehren der unzähligen von hier stammenden Alpin-Rennläufer(innen) - im lokalen Edeka eine spontane Zwischenverpflegung einschob.
[7] - Kochelsee |
[8] - Walchensee |
[9] - Mehr Walchensee |
[10] - Noch mehr Walchensee |
Nachdem ich mich bereits zweimal in Bad Tölz gründlichst verfahren hatte, als ich doch nur die traditionelle Aral-Tankstelle suchte, beschloss ich, einmal stumpf Karls Anweisungen im Fahrtenbuch zu folgen, so unsinnig sie auch erscheinen mochten. Und siehe da, nach nur 300m entgegen einer (nicht für Radfahrer freigegebenen) Einbahnstraße und einem intuitiven Linksabbiegen war ich auf der richtigen Fährte und erreichte die Kontrollstelle um 12:06 - immer noch "nur" 46 Minuten vor Kontrollschluss. Und hätte nicht, als ich startklar war, ein heftiges Unwetter eingesetzt, wäre ich vielleicht sogar noch vor dem Kontrollschluss wieder auf Reisen gegangen. Aber mir den Starkregen und die spontan entstehenden Bäche auf der Fahrbahn aus sicherer Entfernung anzugucken war mir dann doch lieber. Unmittelbar vor dem Unwetter traf dann auch Felix wieder ein, und so fuhren wir, als es trockener zu werden verhieß, zu dritt los - Emily schloss sich mit ihrem SSFG uns beiden an.
Über den folgenden Abschnitt ist nicht viel positives zu berichten. Es war teilweise ekelig nass, es herrschte extrem viel Verkehr (insb. zwischen Tegernsee und Bayrischzell - vermutlich waren bei dem miesen Wetter alle Urlauber lieber im Auto unterwegs) und eine schöne Gegend genießen konnte man bei diesen äußeren Bedingungen auch nicht. Personell tat sich aber ein bisschen was: Felix hatte endgültig die Nase voll (und war wohl auch immer noch übermüdet), so dass er uns fahren ließ mit dem Hinweis, dass er bei nächster Gelegenheit abbrechen würde. So war ich dann mit Emily allein unterwegs, was sich im Nachhinein als sehr kurzweilige und fortdauernde Konstellation für den Rest der Strecke erweisen sollte.
[11] - Emily klettert |
[12] - Bayrisch Zell von oben |
Hinter Bayrischzell begann dann unvermittelt der steile Anstieg zum Sudelfeld. Leider vergaß ich, die Steigung zu messen, aber über weite Strecken dürfte sie bei 8-10% gelegen haben. Zum Glück war die Fahrbahn breit genug und der starke Verkehr wie weggeblasen, so dass Emily ziemlich ungestört mäandrieren konnte - hier eine Übersetzung von etwa 42/16 zu fahren ist schon was für den Feinschmecker. Oben dann, laut Schild auf 1139 mNN, das Dach der Tour, aber leider ohne vernünftigen Aussichtspunkt, so dass wir uns nach einem Minimalsnack zu Tale stürzten. Rechtsabzweig nach Tatzelwurm nicht verpassen! Damit erzeugten wir zwar einen Umweg, Abkürzungsversuche wurden aber hier durch eine Kontrollfrage an der auf dem Weg liegenden Gaststätte "Hummelei" vereitelt - und der Blick von der Aussichtsterasse nach Süden war der Weg auch unbedingt wert. Emily und ich nahmen uns denn auch die Zeit, dort eine Sonderration Nahrung in Form von Kuchen aufzunehmen.
[13] - Kaiser im Dunst |
[14] - Außerplanmäßige Kontrolle... |
[15] - ...mit Aussicht... |
[16] - ...und Gebäck! |
Ab jetzt nur noch wenige Kilometer (so etwa 50) bis zur Kontrolle "Beyreuther" in Unterwössen, auf die ich mich in Erwartung einer leckeren Warmverpflegung schon sehr freute. Zwischen Nussdorf und Frasdorf liegt naturgegeben eine Bergwertung, und Karl hatte für uns natürlich die schwierigste ausgesucht - nochmal ein vielleicht 3km langer Anstieg mit geschätzten 10%. Mit der Sonne im Rücken war das schon etwas für den spezielleren Geschmack. Der Rest bis zur Kontrolle verlief dann ereignislos (wenn man davon absieht, dass eine PKW-Fahrerin mich beim Überholen mit ihrem Pferdeanhänger nur um wenige Zentimeter verfehlte).
Jörgs Gattin und ihr kleiner, tatkräftiger Sohn betrieben die Kontrollstelle (inzwischen?) völlig alleine, das klappte aber perfekt. Und die Nudeln waren lecker und extrem hilfreich. Während wir da saßen, kam auch Mike hereingehechelt - ca. 2 Minuten vor Kontrollschluss, was er sich in einem 40 km langen "Einzelzeitfahren" hart erarbeitet hatte. Emily und ich wollten zwar noch vor Kontrollschluss wieder losfahren, warteten dann aber doch fünf Minuten länger, um Mike mitzunehmen. Was folgte, war ein ganz kleiner "Pass", der aber trotzdem sehr unangenehm auf uns wirkte, und eine landschaftlich reizvolle Strecke entlang eines Fluss- und Seensystems (B 305), von dem wir in der Dunkelheit außer ein paar Geräuschen nicht viel mitbekamen. Mike hatte wohl extreme Müdigkeitsprobleme und fuhr deshalb immer so 50m hinter uns - und produzierte, um sich wachzuhalten, ebenfalls Geräusche. Auch Emily wurde gesprächiger, damit sie nicht einschlief.
Kurz hinter Siegsdorf unterlief uns dann ein kleiner Fehler. In Oed sollten wir abbiegen, und irgendwie waren wir uns sicher, dass der Ort "da hinten" irgendwo käme. Kam aber nicht. Wer stattdessen kam, waren Antonio, der flink nach vorne zu Emily durchfuhr, und Frank, der mich nach einer Pinkelpause aufhielt und sich wunderte, warum wir hier seien. Er hatte natürlich recht, wir hätten schon 6 km vorher links abbiegen müssen. Was tun? Emily war außer Sicht; ich fuhr zwar nochmal 1 km nach vorne, aber nichts von ihr zu sehen. Frank hatte gleich gewendet und sich auf den richtigen Weg gemacht. Nach kurzer Beratung nahmen Mike und ich dann die Beine in die Hand und versuchten in einem weiteren Zeitfahren trotz des Umwegs noch vor Kontrollschluss in Waging zu sein. Fit fühlte ich mich grad bei weitem nicht, aber Mike, offenbar wieder vollständig erfrischt, erwies sich als Motivationskünstler von hohen Gnaden und zog mich in einem erstaunlichen Tempo nach Waging - Ankunft ganze drei Minuten vor Kontrollschluss! (Ironischerweise hatte ich das richtige Schild nicht nur gesehen, sondern mich mit Emily noch über den Ortsnamen "Vögling" unterhalten - und dabei nicht bemerkt, dass das ja der übernächste zu durchfahrende Ort sein sollte!)
Zur Belohnung eine leckere Gulaschsuppe und die Aussicht auf eine Mütze Schlaf in der angegliederten Sporthalle. Mike wollte über eine Stunde schlafen und dann mit einem Kollegen weiterfahren, aber das war mir nicht geheuer, und so beauftragte ich Sven, mich in 30 Minuten zu wecken. Das tat er auch. Ich merkte nur, wie er neben mir hockte und mir unverständliches Zeug erzählte. Dann war er weg, und ich schaffte es noch grad, vorm Einschlafen mich hochzuwuchten und ihm zu folgen. Als ich grad los wollte, traf auch Emily ein. Inzwischen war ich fast 2h hier in Waging, und sie musste die ganze Zeit umhergeirrt sein. Da sie nur ganz kurz bleiben wollte, erklärte ich mich bereit, auf sie zu warten, damit wir zusammen weiterfahren konnten. Aus den 10 Minuten wurden aber etwa 50 - inzwischen trudelten auch Mike und die anderen ein und machten sich reisefertig, so dass wir gegen 03:45 zu siebt(?) wieder aufbrachen.
Mit der Situation war ich etwas unzufrieden. Fast eine Stunde hatte ich ziemlich nutzlos in Waging verloren, anstatt zu schlafen oder gleich wieder loszufahren. Und fast 3h nach Kontrollschluss auf die Strecke zu gehen, erschien mir dann doch ein wenig gewagt. War ja aber nun nicht mehr zu ändern. Richtig wach war aber wohl keiner von uns; schweigend fuhren wir dahin. Nach wenigen Kilomtern guckte ich mich um, und von Mike und seinem Kumpel keine Spur mehr. Das fand ich schade. Irgendwie hatte ich es dann doch mal geschafft, nicht mehr vorne zu fahren, als wir dann ein Schild nach Tittmoning passierten. Ich konnte die Gruppe aber nicht dazu bewegen, hier rechts abzubiegen; man war einhellig der Meinung, dass der richtige Abzweig noch kommen würde. Kam er natürlich nicht. Und so verpasste ich das kleine Stückchen Österreich, was auf der Karte sehr lauschig aussah (wenn es auch weniger flach war als unsere Alternativstrecke).
Dank Landkarte war es kein Problem, bei Burghausen wieder die Original-Strecke zu finden und nach Neuötting zu kommen. Wieder erwies sich die Gruppe als navigatorisch schwächelnd, und so - und wegen aufkommenden Hungers - seilten Emily und ich uns im Ortskern (wieder eine der touristisch lohnenden Ortsdurchfahrten!) ab und enterten einen Bäcker, der soeben - kurz nach sechs - seinen Laden geöffnet hatte. Und kurz darauf kamen auch Frank und Karl dazu, die eine gute halbe Stunde vor uns aufgebrochen waren und natürlich die richtige und schwerere Route durch Österreich genommen hatten. Karl war wegen unserer Abkürzung nicht sehr amüsiert, was man ihm nicht verdenken konnte. Aber dann gabs erstmal lecker Frühstück (für mich bestehend aus Butterbrezn und einem Stück Schokoladen-Nuss-Torte) und für Emily ein kleines Nickerchen.
Die nächsten Kilometer wurden dann in gewisser Weise typisch für den ganzen restlichen Abschnitt bis Landau: Erstens eine Reihe von Kreuzungen, die wir "geradeaus" durchfahren sollten, die sich dann aber tatsächlich als T-Kreuzungen entpuppten, was immer Zeitverluste wegen Neu-Orientierung bedeutete; und zweitens eine Straßenführung quer zu den Wellen, die die Landschaftsplaner hier hingebaut hatten. Will sagen: 50 Höhenmeter bei 9% rauf, dann gleich wieder das gleiche hinunter, durch ein Dorf, und dann wieder von vorne. Auf Dauer zermürbt das sehr effektiv, und eine Belohnung in Form einer netten Aussicht gab's auch nicht. In Reisbach führte der T-Kreuzung-Trick uns dann auf eine völlig falsche Fährte, die Emily mit ihrem GPS-fähigen Handy halbwegs reparieren konnte - aber nicht ohne mich über eine dornenbewehrte Not-Treppe einer kreuzungslosen Straßenüberführung zu schicken. Wenig später hatte ich Emily nach vorne verloren und fuhr so die letzten km bis zur Kontrolle allein. Wo sie dann nicht auftauchte. WTF?? Sie kam dann 10 Minuten später, nachdem sie längere Zeit auf der Suche nach der Turnhalle durch Landau geirrt war.
Dann folgte wieder das übliche Prozedere: Den letzten Rest an Nahrung einsammeln und während des Essens zusehen, wie die Kontrollstelle außer Betrieb genommen wird. Diesmal gabs aber noch ein Abschlussfoto für die Vereinszeitung(?) mit allen Service-Kräften und den letzten vier Randonneuren (Karl und Frank waren auch noch da - wie immer). Dann endlich zur Erholung ein paar flache Kilomter bis zur Donau-Überquerung. In Straßkirchen hielten wir kurz, um die bunte, perfekt beleuchtete Kirche zu fotografieren, was ein Passant nutze, um uns nach dem Woher und Wohin zu befragen und uns in aller Kürze seine Lebensgeschichte - nämlich die eines sich im Vorruhestand befindlichen Eisdielenbesitzers - zu erzählen. Es kostete einige Mühe, wieder los zu kommen. Auf der Donaubrücke gabs dann das (N+1)-te Zusammentreffen mit Frank und Karl, und auch Mike war plötzlich wieder da. Zeit für einen 90-Sekunden-Plausch, und dann ging's auch schon wieder weiter. Nur kurz fuhren wir aber zusammen, denn Emily und mir war beim nächsten vorbeikommenden Supermarkt in Hunderdorf nach einem kleinen Imbiss. Die Pause auf dem schwül-warmen Parkplatz hatte aber eindeutig ungute Auswirkungen auf unsere Wachheit - ich fühlte mich plötzlich unglaublich müde.
[17] - Straßkirchen |
[18] - Donauüberquerung |
[19] - muss man wirklich weiter? |
[20] - Pfarrkirche zu Bogen |
Irgendwo dann ziemlich bald nördlich der Donau beginnt dann auch per Definitionem der Bayerische Wald, den es nun Richtung Norden zu durchqueren galt. Natürlich nutzten wir die erste Gelegenheit, den Kreisverkehr bei Steinburg, um uns zu verfahren und weitere Bonus-km zu sammeln. Dann hieß es aber, so eine Art Pass zu überqueren, um über Zinzenzell nach Cham zu gelangen. Der Pass war unangenehm steil und sah ständig so aus, als sei er gleich zu Ende, weil die Landschaft als solche gar keine höheren Punkte mehr zu bieten hatte. Ging aber doch immer weiter rauf. Entspannend war's dann aber (wenigstens für mich), auf der anderen Seite runterzukullern, und es gab auch nur zwei oder drei kleinere Gegensteigungen, bis wir Cham erreichten. Plötzlicher Verkehrsschock einer Großstadt nachmittags um fünf. Ein Stadtplan nahe eines Kreisverkehrs lotste uns auf den richtigen Weg nach Willmering, der nächsten Kontrollstelle am dortigen Sportplatz.
Natürlich waren Karl und Frank auch noch da, dazu noch ein Mitstreiter aus Bulgarien. Großartig war der geschwind servierte Teller mit einer Riesenportion des klassischen Randonneurs-Gerichtes "Spaghetti Bolognese", die mich tatsächlich wieder erfrischten. Da wir aber mal wieder extrem knapp in der Zeit lagen, war an eine ausgiebiges Schläfchen nicht zu denken; immerhin reichte es aber, um sich im gekachelten Bereich mal sorgfältig frisch zu machen. Dann ging es weiter, zunächst über Kleinst-Straßen ein bisschen "querfeldein" bis zur Staatsstraße 2040. Über die nachfolgende Teilsrecke habe ich nur noch vage Erinnerungen. Es mag in Neunburg vorm Wald gewesen sein, wo wir ein wenig hilflos standen und an einer Kreuzung über den richtigen Weg rätselten, als ein Rennradfahrer zu uns aufschloss und anbot, uns auf den Weg Richtung Oberviechtach zu bringen. Karl wäre sicher erfreut zu wissen, dass unser Führer dann eine Nebenstrecke mit spezieller Bergwertung bis Mitteraschau wählte ;-) Der Rest war - wie auch nicht - bergig, und meine Hoffnung war, dass es zumindest am Schluss nach Vohenstrauß wieder bergab ginge. Leider stimmte das nur bis nach Burgtreswitz im Tal der Pfreimd, dann erfrischte uns noch mal eine kernige Steigung auf er anderen Talseite.
Ankunft Kontrollstelle Vohenstrauß komfortable 22 Minuten vorm Limit. Es gab sogar noch Hühnersuppe mit Nudeln für uns, von der ich auch sechs Teller gegessen hätte, wenn Zeit und Topf das hergegeben hätten (zum Glück tat ich's nicht...). Da aber kurz nach unserer Ankunft mal wieder mit dem Abbau begonnen wurde, entschieden Emily und ich uns, einfach gleich weiter zu fahren, so lange es halt ginge, und ggf. unterwegs ein Nickerchen zu machen. So verließen wir die Kontrolle zur Abwechslung mal noch vor sechs bis zehn anderen, die sich grad von der Wirtin wecken lassen mussten. Wir schafften aber nur wenige km, bis Emily in Neuenhammer die Augen so schwer wurden, dass wir uns bei Nieselregen in ein Bushäuschen zurückzogen. Aus dem Augenwinkel sah ich nur wenig später den Rest des Feldes vorüberschnurren. Als wir dann endlich auch wieder auf dem Rad saßen, dauerte es nur wenige Minuten, bis Emily dringlich eine Waldpause einlegen musste. Kommt halt vor, dachte ich mir so... Wenig später durchfuhren wir Flossenburg, einen Ort, der praktisch ausschließlich aus einer stark ansteigenden Straße zu bestehen schien. Das war mir grad sehr unangenehm - Bäume für eine Waldpause waren höchst dringlich erforderlich! Sobald wir den Ort verlassen hatten, machte ich dann meine Notpause - und begann an der so schmackhaften Vohenstraußer Hühnersuppe ernsthaft zu zweifeln. Inzwischen hatte auch endlich mal wieder ein ergiebiger Landregen eingesetzt, der uns beim Aufstieg nach Silberhütte auf knapp über 800 m NN abkühlte. Die folgende Abfahrt war aber extrem schauerlich... ebenso wie Emilys Schlafbedürfnis, welches uns wieder in eine Bushütte trieb, obwohl ich viel lieber zumindest bis zur nächsten Sparkasse gefahren wäre. Nach dem Aufwachen war mir dafür entsetzlich kalt, endlich gab es mal wieder das berühmte Ganzkörperzittern beim Fahren. Es regnete immer noch heftig. Und es ging leicht bergab. Kurz vor Tirschenreuth verlor ich dann Emily nach vorne, just als mich zum zweiten Mal der Wald rief. Keine Chance, sie durch Rufen noch zu erreichen.
Tirschenreuth liegt, soll man Goethen glauben, "gar schön", aber das blieb uns bei dem herrschenden Wetter eher verborgen. Nicht verborgen blieb Emily: Ich fand sie wieder, über die Karte gebeugt und eine Strecke suchend. Wegen meiner Verdauungspein und der zwei mir wenig hilfreichen Schlafpausen völlig übermüdet, war ich mir über meinen weiteren Verbleib in diesem Wettbewerb gar nicht mehr im Klaren, daher vereinbarte ich mit Emily, dass sie einfach weiter fahren solle, während ich mich für eine kurze Schlaf-, Denk- und Aufwärmpause in eine Sparkasse zurückzog. 150g Lachgummi erweckten aber meine Lebensgeister wieder, und nur 20 Minuten später - und ohne Nickerchen - machte ich mich wieder auf. Das Teilstück im "Großraum" um Schönhaid machte mir dann ernstlich Sorgen: Ich fühlte mich zwar navigatorisch seltsam unsicher, hatte aber gleichzeitig das unbestimmte, aber sichere Gefühl, hier schon einmal gewesen zu sein. Was nun überhaupt nicht sein konnte, denn diese Ecke, den Oberpfälzer Wald bzw. Steinwald, kannte ich wirklich nur von der Landkarte. Das Gefühl schwand trotzdem nicht; es war wie ein überlebensgroßes Dejà-Vu. Nur der wiederholte Nothalt irgendwo kurz vor Wiesau erschien mir neu und real. Mit einiger Konzentration und wiederholten Kontrollblicken auf die Karte rettete ich mich aber bis zur Kontrolle am Sportplatz in Kulmain - auch dieser Ort war mir von einer irrealen, aber sehr bestimmten Vertrautheit.
Großzügig gerundet erreichte ich die Kontrollstelle noch pünktlich (+26'). Auf der Stichstraße kamen mir sogar noch Frank, Karl und ihr angehängter Bulgare entgegen. Drinnen im Vereinshäuschen gab es auch noch frisches Brot nebst Butter, Honig und Nutella. Allen verdaulichen Problematiken zum Trotz ein Hochgenuss! Und zum ersten mal seit langer Zeit war ich nach deutlich weniger als einer Stunde Aufenthalt wieder auf der Straße - gesättigt, mich frisch fühlend und guter Dinge. Bis so etwa 10 km später. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich verstand, warum mein km-Zähler plötzlich nur noch 4,46 anzeigte. Der hat ja keine Tausender-Stelle! Und dann fand ich mich an einer Kreuzung wieder, wie ich dort einen Baum umkreiste, der auf einer Wiesen-Insel an einer der Einmündungen stand. Das machte mir ein wenig Sorgen, und die nächste Gelegenheit in Form eines Bushäuschens nutzte ich zu einem viertelstündigen Schläfchen.
Weiter ging es durch die Fränkische Schweiz, wie üblich - zumindest gefühlt - senkrecht zu den Tälern. Genaue Erinnerungen an diesen Teilabschnitt fehlen mir; es war aber wenigstens angenehm warm - und ab Hollfeld (Ortsdurchfahrt) kam das nächste gigantische Dejà-Vu. Alles schon mal gesehen. Vielleicht arbeiteten Teile meines Hirns inzwischen einfach zu langsam. Auf dem ansteigenden Stück hinter Hollfeld kam plötzlich Emily von hinten herangeflogen, die ich doch irgendwo weit vor mir vermutet hatte. Zusammen friemelten wir uns dann - vermutlich mit leichtem Verfahren und einigen Bonus-Kilometern, aber immer noch durch mystisch bekanntes Gelände - durch Thurnau zur nächsten Kontrollstelle, welche sich als sehr luxuriös ausgestattete Raststätte eines Autohofs entpuppte. Und lecker: Es gab ein fischfreies, pealla-artiges Reisgericht zu essen. Mjamm. Davon eine große Portion, und anschließend 20 Minuten Nickerchen draußen auf der Wiese. Der Rest war wie immer: Karl und Konsorten schon da, diesmal schlafend, die drei fuhren ab während wir noch ruhen, und nur knapp anderthalb Stunden nach Kontrollschluss waren auch wir wieder auf Strecke.
[21] - Thurnau |
[22] - Allein auf weiter Flur |
Auch wie immer: Emily verlieren. Irgendwann war sie vorn außer Sicht geraten, und dann bog ich im Tran irgendwo falsch ab. Oder falsch nicht ab. Zum Glück hatte ich das schnell bemerkt und konnte das nach einem kurzen Blick auf die Karte reparieren. Spontaner kleiner Imbiss-Stop an einem Autohof zwischen Breitengußbach und der Itz-Brücke. Mir war nämlich aufgefallen, dass ich noch gar keine traditionelle Brevet-Mahlzeit eingenommen hatte: 2 Mars und eine kleine Flasche Cola! Außerdem wars eine gute und dringende Gelegenheit, die Batterien in meiner Rückleuchte zu wechseln, denn die nächste - und letzte - Nachtetappe stand kurz bevor.
Endlich mal ein etwas flacheres Teilstück, Entspannungsradeln im Maintal. Plötzlich stand ich aber in einer Stadt unmotiviert an einer T-Kreuzung und hatte keine Ahnung, wie ich dahingekommen war. Linksabbiegen sah aber gut aus, als verliefe da eine parallel eine Hauptstraße, und 300m weiter sah ich dann das Ortsendeschild von Stettfeld. Dunkel erinnerte ich mich, dass ich im Ort von der Hauptstraße abgebogen bin in eine Straße mit Kirche oder Rathaus. Was ging da vor? Nur wenig später in Eltmann auf der anderen Mainseite traf ich auf Emily - auf wen auch sonst. Entnervt versuchte sie mal wieder, sich selbst und ihre Route auf dem Streckenplan wiederzufinden. Souverän konnte ich ihr helfen und auf die Steigerwald-Höhenstraße lotsen. Teufel auch, war das Ding steil! Als es oben etwas flacher wurde, machte ich kurz Pause um auf Emily zu warten und Ebelsbach in der späten Dämmerung zu fotografieren (was nicht gut gelang). Meine Versuche, den richtigen Bildausschnitt zu finden, ließen Emily allerdings glauben, dass ich auf der Wiese zur Erholung Tai-Chi betrieben hätte.
Die Straße war komisch. Direkt nach der Kuppe fiel man wieder ins nächste Tal runter, das war zu queren, und dann wieder mit der gleichen unsäglichen Steigung berghoch. Gefühlt wars extrem steil, und bei 4,5 km/h auf dem Tacho beschloss ich dann, auch mal ein paar hundert Meter zu schieben. Das erholt, und langsamer ist man damit auch nicht. Dann gings wieder bergab, und das Ortsschild "Karbach" machte mich stutzen - den fand ich nicht auf dem Streckenplan. Kurzer Landkartencheck - alles richtig. Weiterfahren. Am Ende der Abfahrt in Rauhenebrach folgte eine (dokumentierte!) Links-/Rechts-Kombination, um weiter nach Ebrach zu gelangen. Ich drehte mich um, fand aber Emily nicht mehr. Ich fuhr zurück in den Ort - keine Spur von ihr. Nundenn, einfach weiterfahren - half ja nichts, und es ging auch wieder angenehm bergauf. Dann kam Ebrach. Vermutlich. Und andere Orte. Aber welche? Und in welcher Reihenfolge? Es ist Donnerstag abend, ca. 23:00.
Aber jetzt wird alles gut. Einzig etwas enttäuschend ist, dass es noch über 20 km zur Kontrollstelle sind, wo man gefühlt doch schon quasi da ist. Und so treffe ich dort erst um halb drei ein - fast zweieinhalb Stunden nach Kontrollschluss und nur sechseinhalb Stunden vor dem Zeitlimit im Ziel. Bis dorthin sinds aber auch noch 120 km, und die angeblich nicht flach. Mit anderen Worten: Das wird nichts. Der Verkäufer im Tank-Shop ist trotzdem beeindruckt und berichtet, dass eine junge Frau erst vor einer Viertelstunde hier aufgebrochen ist. Ich wünsche Emily viel Glück und verzieh mich ein Stockwerk höher ins Restaurant, um eine Portion Bauernfrühstück zu essen. Da die Zeit eh abgelaufen ist, gönne ich mir auch noch ein kurzes Nickerchen und mache mich im gekachelten Bereich ein bisschen frisch. Um 4:45 fahr ich wieder los, erstaunlich erholt, und nur wenig später dämmert es auch, was mich nochmal wacher macht.
Das hält aber nicht sehr lange, und sonderlich schnell fühle ich mich nach den ersten paar km auch nicht mehr. Die Gegend ist nur leicht wellig, aber jede dieser Wellen zwingt mich in die kleinsten Gänge. Irgendwo, vermutlich in Birnbaum, kurz hinter Dachsbach (diese Ortsnamen!), fühle ich mich schon wieder desorientiert, bin aber pfiffig genug, mich an eine Sparkasse draußen auf eine Bank zu setzen und nochmal etwas zu schlafen. Unterm Strich gönne ich mir ca. 45 Minuten, danach fühle ich mich wieder aktiviert. In Heilsbronn treffe ich ungefähr um 9:00 ein - Kontrollschluss in Osterdorf, aber mir fehlen noch fast 70 km. Ich feiere das mit einem klassischen Brevet-Frühstück (2 belegte Brötchen plus Cola) in einem Supermarkt-Bäcker, wo man angenehm sitzen kann.
Danach gehts mir fast schon beängstigend gut, dazu kommt, dass die Gegend auch recht flach und einfach fahrbar ist. Karl schickt uns durch den Ortskern von Windsbach, der zwar lauschig ist, durch sein ruppiges Kopfsteinpflaster aber grad ein bisschen nervt. In Spalt fühle ich mich kurz verwirrt, weil ich die angekündigte Abzweigung nicht finde, dabei muss man einfach geradeaus durch den Ort fahren, bis man die Ausschilderung findet. Naja, liegt sicher an der Müdigkeit. Wer den richtigen Abzweig gefunden hat, wird dann auch mit einer 2 km langen Rampe von pimaldaumen 10% belohnt. Hinter Pleinfeld kommt nochmal ein navigatorisch schwieriges Teilstück, denn es soll die B2 vermieden und eine "Nebenstrecke" benutzt werden, die entsprechend sparsam beschildert ist. Und wen fange ich da wieder ein? Natürlich Emily - über ihren Plan gebeugt und eine Richtung suchend. So können wir dann auch die letzten 20 km zusammen fahren.
[23] - Windsbach |
[24] - Deutschordenschloss in Ellingen |
Letzte touristische Ortsdurchfahrt durch Ellingen, vorbei am wahrlich beeindruckenden Deutschordenschloss, und durch Weißenburg i.Bay.. Die restlichen paar km fahren wir auf der B2; der parallel verlaufende linksseitige Radweg ist mir durchaus nicht geheuer. Dann endlich der finale Anstieg nach Osterdorf. Emily kriegt die zweite Luft und nimmt mir tatsächlich locker 2 Minuten auf den 2 Kilometern ab - und so habe ich die zweifelhafte Ehre, als Letzter das Ziel zu erreichen - völlig verblüfft angesichts der Zuschauer und dem Beifall meiner (seit knapp vier Tagen unsichtbaren) Mitstreiter, die noch am Ziel ausgeharrt hatten.
Nach über 1300 km fühlt man sich extrem schlapp, ausgelaugt, will keinen Schritt mehr gehen, geschweige denn radfahren - sollte man meinen. Dem war gar nicht so. Natürlich war ich sehr schlafbedürftig, aber nach ein paar Stunden wäre ich bereitwillig an die nächsten paar hundert Kilometer gegangen. Es ist ein wenig ärgerlich, wenn man dann trotzdem das Brevet "versaut", indem man zu spät ins Ziel kommt, weil man schlaf-strategische Fehler gemacht hat. Hätte ich die Standzeiten besser genutzt und damit die Möglichkeit gehabt, zwei mal auch längere Schlafpausen von jeweils 2-3 Stunden zu machen, hätte das alles prima hinhauen müssen. Karl wird also nächstes Jahr diesen 1200er nochmal anbieten müssen, damit ich diese Theorie überprüfen kann ;-) Dabei ist die ganze Arbeit, die hinter so einem Brevet steckt, eigentlich gar keinem zuzumuten - in diesem Sinne gebührt Karl und Heidi, aber ebenso auch seinem Helferstab ein mördsmäßiges Dankeschön. Und nicht zu vergessen die Helfer vor Ort - insb. an den "privaten" Kontrollstellen wie Sportvereinen etc., die teilweise in extrem langen Schichten diese Stellen betrieben und uns vorbildlich verpflegt und umsorgt haben.
[25] - Der Autor bei Strecken-km 480... |
[26] - ...und bei Strecken-km 1230 |
Übrigens haben 12 Stunden non-stop-Schlaf ausgereicht, um mich von den insgesamt 107 Stunden (Montag früh bis Freitag nachmittag), in denen ich vielleicht zusammengerechnet drei Stunden geschlafen hatte, ausreichend und nachhaltig zu erholen. Das ist das für mich fast schon erstaunlichste Ergebnis dieser Expedition. Irgendwie war das ganze wohl auch ein großangelegtes neurologisches Experiment ;-)
Die Aufnahmen [2], [3], [6], [22] und [25] stammen von Emily O'Brien, siehe auch ihren Reisebericht (auf englisch). Alle anderen Fotos hat der Autor zu verantworten, per Mail erreichbar unter rand at bartali.dyndns.org.
Weitere Links zu Statistiken, Karten etc.: hier!.