16eme Paris - Brest - Paris 2007

Christian Schulz (rand at bartali.dyndns.org)

Aperitif -- Vorspeise -- Hauptgang -- Dessert -- Statistiken -- Anmerkungen

Aperitif

"Alex, wart mal kurz." Wie anders sollte man sich auf PBP vorbereiten (abgesehen von den obligatorischen Brevets natürlich) als durch einen zweiwöchigen Urlaub in mittelschwerer Landschaft (hier: Österreichs Alpen), auch wenn der in diesem Fall mit eben jenen vier Worten ein jähes Ende findet: Beim Losfahren an einer Ampel beschließt mein treuer Principia-Rahmen spontan vermöge eines Kettenstrebenbruchs zu sterben. Drei Wochen vor PBP eher ungünstig, gilt es doch, bis dahin ein neues Rad zu finden und sich so dran zu gewöhnen, dass man sich damit 1200 km "am Stück" auch zutraut. Der Radhändler meines absoluten Vertrauens hatte aber nur 2 Tage später ein perfektes Neurad am Start. Respekt und Dank!

[1] - Dieses Rad möchte kein PBP fahren

[2] - ...dieses hier muss!

Vorspeise

Sonntag, 19.08., 14:00. Just als Alex, mein treuer Begleiter auf vielen Radurlauben, und ich vom Hotel aus losfahren wollen, um Ross und Reiter kontrollieren und anmelden zu lassen, hören wir, dass auf die Fahrrad-Begutachtung wegen des schlechten Wetters - Tendenz zum Dauerregen - verzichtet werden soll. Wir sehen uns kurz an und fahren dann doch mit dem Rad zum Menschenrechtsstadion. Ob das ne kluge Wahl war? ... Jedenfalls sieht es so aus, als seien alle schon da. Enno, ebenfalls ein langjähriger Urlaubs- und Brevetkamerad und eigentlich als dritter Mann fest eingeplant gewesen, musste leider wegen Krankheit seine Mitfahrt absagen. Nach Paris und bis zum Gymnase Droits de l'Homme hat er uns aber begleitet - jetzt muss er leider draußen bleiben, was uns in der Seele weh tut. Kaum haben wir die Schleusen passiert, öffnet auch der Himmel seine Schleusen und lässt spontan alles Wasser raus. Das Rad kurz zu parken und in die Halle eilen reicht, mehr als klatschnass zu werden.

Drinnen ist ne richtig klasse Luft, aber auch eine prima organisierte Startunterlagen-Ausgabe. Flugs sind wir registriert, und während Alex schon zum Ausgang drängt, mach ich noch die Honeurs bei den Kollegen. Erstaunlich, wie viele Leute ich in den zwei Jahren, die ich brevetiere, schon kennengelernt habe; das merkt man erst, wenn man die alle mal auf einen Haufen sieht.

Dann geht's heimwärts. Es regnet nicht mehr, die Straße ist aber kladdernass. Etwa 1.5 km vorm Hotel ist ein Kreisverkehr mit vorgelagertem Zebrastreifen. Ich peile und ... flatsch. Voll auf die Butterseite geknallt. Vernachlässigbare Schürfwunden, Rad erstmal unauffällig, und nach dem ersten Schrecken gehts weiter.

100m später: "Alex, wart mal kurz." Das Schaltwerk steht irgendwie windschief. Da muss ein Fachmann ran, aber woher nehmen? Also zurück zum Gymnase, mich durchgefragt, und tatsächlich zaubert der Trinkflaschen- und Reifenverkäufer in der Halle einen Mechanikus nebst Werkzeug herbei, der ohne viel Aufhebens die ganze Grütze wieder richtet. Mein persönliches Denkmal gebührt dem unbekannten Mechaniker!


[3] - Schöne Bescherung

[4] - Denkmal für den unbekannten Mechaniker
Danach lass ich mich noch auf Anraten eines Ordners in das Rot-Kreuz-Zelt schleusen, um die Schürfwunden zu desinfizieren. Vielleicht keine schlechte Idee, bevor der Ellbogen in den nächsten drei Tagen zueitert... Im Zelt ist es stockfinster, der Sani leuchtet mir mit einer Taschenlampe den Weg. Der Lichtfleck schreckt auch eine Sanitäterin aus ihrem Schlaf hoch, die dem weiteren interessiert zuguckt. Zusätzlich springen noch zwei Kameraden herbei, wovon der eine während des folgenden die Taschenlampe hält, der andere erfolglos versucht, die Zeltplane so zu öffnen, dass wir Tageslicht erhalten.

Es folgt: Desinfizierung der 1-Euro-Stück großen Schürfwunde am rechten Ellbogen.

Ende des Vorhergehenden unter Hinterlassung des Namens auf einem Behandlungsformular.

Vorteil der ganzen Aktion: Wir sind doch noch rechtzeitig zur Vollversammlung der "deutschen Abgeordneten" wieder vor Ort und schauen uns das ganze mal aus sicherer Entfernung an. ;-)


[5] - Deutsche Teilnehmer im vollen Ornat

[6] - Claus gibt schon am Vortag alles, um uns anzufeuern

Hauptgang

km -0.6 Endlich im Stadion! Pünktlich setzt auch wieder der Regen ein. Da Alex ein Dixi-Häuschen aufsuchen will, ordnen wir uns freiwillig in die rechte Schlange ein - und werden dann nie mehr das Gefühl los, dass das hier nur ungefähr mit einem Viertel der Geschwindigkeit voran geht wie links. Ganz vorne erkennt man, wie zwei oder drei Helfer jeden Starter gründlichst auf vorschriftsmäßige Beleuchtung und Bekleidung kontrollieren. So verständlich und richtig das auch ist - nervt grad ein bisschen. Kühl wird's auch. Zum Zeitvertreib wird das erste Unterwegs-Panino vernichtet. Immerhin treffen wir mehrere bekannte Gesichter, unter ihnen Armin von ganz oben in Deutschland, wo es ja auch immer regnet.


[7] - Der Mann in Gelb leuchtet hinreichend und darf mit!

km 0 - 22:50. Der Ansager macht uns vor den ersten Kilometern noch mal ordentlich Angst und warnt vor Mauern in der Fahrbahnmitte und ähnlichen verkehrstechnischen Greueln. Und dann knallt was, und los geht's!

km 0.2 - Das Volk ist begeistert, und ich bin es auch. Endlich nicht mehr warten, sondern fahren. Das riesige Feld, etwa 500 Leute, fährt sehr diszipliniert und mit mäßigem Tempo, außerdem zieht sich das sofort stark in die Länge, so dass auf der abgesperrten Fahrbahn gar keine kritische Situation aufkommt.

km 13 - "Alex, wart mal kurz." Berühmte vier Worte. Dann, inmitten des noch kompakten Felds des 6. Startblocks, vorsichtiges Runterbremsen und Anhalten: Mein Hinterreifen wirkt sehr luftlos. Erster Gedanke: Das macht 20 Minuten weniger Schlaf kommende Nacht. Vielleicht gewinne ich wenigstens den Trostpreis für die erste Reifenpanne. Zum Glück steht direkt vor uns ein Polizeiwagen (die Besatzung sichert den Kreisverkehr direkt dahinter ab) und spendet mir reichlich Licht beim Reifenwechsel. Ein Glassplitterchen hatte sich festgesetzt und langsam den Schlauch perforiert; mit etwas ungutem Gefühl belasse ich es bei einem Rausprokeln und spare mir den Ersatzmantel erstmal auf. Der Zeitverlust beträgt ziemlich genau 20 Minuten: Mitten in das anrauschende 23:10-Feld begeben auch wir uns wieder auf die Reise.


[8] - Gut geprokelt ist halb gefinisht

km 46 - Jede Dorfdurchfahrt macht Gänsehaut. Trotz miesen Wetters und nachtschlafender Stunde stehen an den Straßenrändern die Leute und feuern uns an.

km 60 - Zeit für einen ersten kurzen Halt, um das nächste Unterwegs-Panino aus dem Rucksack zu fischen. Gleichzeitig beobachte ich ein bisschen mit Sorge, wie wenig Wasser ich nur noch habe, wo es doch noch 80 km bis nach Mortagne au Perche sind.

km 70 - Sorgen ade! Eine Brasserie in Tremblay Les Villages hat Kisten mit etwa 41251 Wasserflaschen aufgestellt und verteilt sie an uns (die Flaschen, nicht die Kisten). Da denkt doch jemand mit! Außerdem bietet sich die Gelegenheit, dort meine vom Reifenwechsel schwarzen Hände mal mit etwas Seife zu beschmieren. Auf dem Weg zum Waschbecken falle ich fast über die etwa sechsjährige Tochter des Hauses, die in einem Schlafsack im Verkaufsraum der Brasserie campiert. Zum Schlafen scheint sie aber nicht so recht zu kommen.

km 103 - Nun mach ich mir doch wieder ein paar Sorgen: Ich finde uns zu schnell. Alex und ich fahren den üblichen Rhythmus: Eher schnell unterwegs, dafür öfter mal eine Pause. Ich krieg ein bisschen Angst, schon auf den ersten paar hundert Kilometern zu überziehen. Aber langsamer fahren geht auch irgendwie nicht so recht; und die Gruppen, auf die wir auffahren, sind so deutlich langsamer, dass wir es nur wenige Meter dort aushalten.

km 120 - Sonderverpflegung an einer nachtoffenen Brasserie! Ein Pain au chocolat verschwindet sofort, ein Baguette kommt in den Rucksack für unterwegs. Pünktlich zum Losfahren setzt auch wieder der Regen ein.

km 134 - Die Landschaft ist irgendwie anders - viel hügeliger als am Anfang. Ich mag das ja eigentlich, aber bei dem herrschenden Regen sind die Abfahrten ein bisschen abenteuerlich. Mein E6 leistet mir jetzt exzellente Dienste, und die Straßen haben zum Glück noch weiße Randmarkierungen.

km 140 - Erste Kontrollstelle in Mortagne au Perche. Es regnet in Strömen, und in der Dunkelheit sieht man durch die nasse Brille kaum etwas. Ich parke irgendwo das Rad und haste zur Halle, wo es alles mögliche essbare und nicht-essbare zu kaufen gibt. Nur Alex ist nirgendwo zu sehen. Ich finde ihn erst draußen wieder, wo er an einer Nasszelle seinen Wasservorrat aufgefüllt hat. Ich mache es ihm nach, und dann suchen wir, verwirrt und erschlagen von der Menschenmasse hier und dem grausigen Wetter, das Weite.

km 188 - Nachdem wir die im Roadbook als gefährlich eingestufte Kreuzung passiert haben, bleiben wir sogleich an einem schon lange sehnlichst erwarteten Restaurantchen stehen in der Hoffnung auf ein Frühstück. Natürlich ist der Laden gerammelt voll mit Randonneuren, und die Wirtin, völlig allein auf sich gestellt, gibt alles - was natürlich nicht wirklich reicht. Und das geht ja wahrscheinlich schon seit drei Stunden so... Für einen Kaffee und zwei Croissants reicht es aber, und etwas verstört begeben wir uns wieder auf die Reise.

km 222 - Endlich die erste "echte" Kontrolle, und was für eine! Der Menschenauflauf hat etwas volksfestartiges; es ist sehr beeindruckend. Irgendwo in dem Getümmel prallt mir ein Hüne entgegen, mit etwas Abstand merke ich dann, dass es Kai ist, mit dem ich voriges Jahr in Hamburg einen 600er gefahren bin. Man wünscht sich viel Glück, und dann muss ich unbedingt zusehen, Stempel und Nahrung aufzutreiben. Dummerweise sind wir brutto gerechnet viel langsamer als erwartet, was insb. Alex um seinen Schlaf kommende Nacht fürchten lässt. Meine Entgegnung, schlimmstenfalls im Hotel nur Sachen abzulagern und gleich wieder weiter zu fahren, erheitert ihn wider Erwarten nicht.


[9] - Der Franzose an sich ist sehr radsportbegeistert

km 237 - Das ist mal eine ernsthafte Bergwertung, kurz nach Hardanges. Es regnet zwar mal wieder, macht aber trotzdem Spaß, da hochzufahren. Ein Schild warnt uns, dass in 50 m der "offizielle Fotograf" Posten bezogen hat; er meint damit aber wohl 50 Höhenmeter. Da er mit zugeschaltetem Blitz arbeitet, bin ich die nächsten 300m blind.

km 308 - Fougeres bekommt definitiv den Preis für die bizarrste aller Ortsausfahrten. Über irgendwelche verschnörkelten Nebenstraßen mit gefühlten 63% Steigung verlassen wir den Ort.

km 413 - Durchfahrt durch Illifaut, und dem zweiten Privatanbieter von Heißgetränken können Alex und ich nicht widerstehen. Es ist etwa 23:00, und ein warmer Kakao steigert das Wohlbefinden. Leider nur sehr radebrechend unterhalten wir uns mit den Gastgebern, und die etwa sechsjährige Tochter des Hauses untermalt die Konversationsversuche mit einem regelmäßigen "Uiiiiek!". Sie zitiert aber kein Meerschweinchen: Kurz vorher nämlich gibt es im Dorf an einer Abzweigung die Gelegenheit, falsch abzubiegen, welche auch fleißig genutzt wird. Ein Illifauter an der Kreuzung ruft die Kollegen auf die richtige Strecke zurück, und das nachfolgende Bremsen-"Uiiiiek" hat Frau Tochter nachhaltigst beeindruckt. Wir wollen gerade wieder aufbrechen, als eine weitere Anwohnerin mit frisch gebackenen Madeleines auftritt - es gibt keine bessere Entschuldigung, um noch einige weitere Minuten dort zu verweilen. Energie für die letzten 20 km!


[10] - Die drei K für's Überleben: Kekse, Kaffee, Kakao - inkl. Uiiiiek (2.v.r.)

km 429 - Mit den Gedanken schon im Hotel kommt von links plötzlich eine größere Gruppe Randonneure uns entgegen. Gejohle, Gekreisch - Ernüchterung: Das ist die Spitzengruppe des 80h-Feldes auf dem Weg zurück. Zwar sind die 3h früher als wir losgefahren, haben aber respektable 366 km Vorsprung. Plötzlich komme ich mir vor wie eine Schildkröte, und der Berg nach Plumieux scheint unbezwingbar.

km 433 - Nichts ist hier unbezwingbar, und so sind wir dann auch endlich im Hotel, dessen Besitzerin uns, nach einigen Anrufen vorgewarnt, auch wirklich noch Schlag 00:00 erwartet. Nur schwer können wir ihr aber begreiflich machen, dass wir kein Frühstück wollen, weil wir um 3:00 bereits wieder aufbrechen werden. In der Zeit gilt es zu duschen, die eingesauten Klamotten kurz zu waschen und ein wenig zu schlafen, was auch prima gelingt. Etwas später brüllt mich das Handy an, und ich hab keine Ahnung, wo oder wer ich bin und warum. Dann wuchte ich mich hoch - ich hab ja einen Auftrag - und sehe, dass das Handy wohl schon den zweiten Weckversuch unternommen hat. Verstohlen schleichen wir uns davon, allerdings nur mehr mit halbem Gepäck, denn die gewaschenen Sachen bleiben zum Trocknen da und werden morgen um etwa diese Zeit wieder abgeholt.

km 449 - "Frühstückskontrolle" in Loudeac. Wahrscheinlich schlafe ich noch, denn ich kriege gar nichts mit. Mutmaßlich frühstücke ich Sandwiches und Kaffee, und irgendwann setze ich mich wieder aufs Rad.

km 458 - Die Strecke wird anspruchsvoller, schmale Straßen und steile Rampen. An einem der Anstiege machen Alex und ich eine kleine Kunstpause, und ich warte am Straßenrand. Noch ist es stockdunkel, und von den Fahrern sieht man im Wesentlichen nur den Scheinwerfer und die fast obligatorische Stirnlampe, die an einem solchen schweren Abschnitt hin- und herschwankt - das ganze sieht aus wie ein Tier mit einem Auge auf einer suchend umhertastenden Antenne.


[11] - Invasion der Antennentiere (km 458)

[12] - Bei Tage sind die Antennen eingefahren

km 485 - Geheimkontrolle in Corlay (das französische "Controle secret" führt immer wieder zu erheiternden Übersetzungen). Hier gibts nur einen Stempel, aber auch einen Supermarkt, der auch zu dieser frühen Stunde geöffnet hat. Leider hat er keinen Vanille-Milchreis mehr, sondern nur noch solchen mit Karamell, welcher in natura noch bizarrer aussieht als auf der Verpackung. Kann man aber essen. Ich frage mich bisweilen, wofür ich eigentlich mehr als 1kg (geschätzt, an Anstiegen dank exponentiell steigender Hangabtriebskraft etwa 3 Zentner) Notkekse mit mir herumschleppe. Verhungert ist hier ja wohl noch keiner! Auch noch unverhungert ist Armin, dem wir hier kurz begegnen. Er hat ein wenig Zeit wegen eines worst-case-Defektes verloren: Sein Tacho hatte einen Totalausfall. Hat er aber nach alter Randonneur-Manier alles wieder hingefriemelt, und so weiß er dann auch noch, wo er ist.

km 564 - Aussichtspause auf dem Roc Trezevel. Bei schönerem Wetter und etwas weniger Dunst hätte man ja einen tollen Blick, so aber muss man mehr ahnen als sehen. Es ist auch verflixt windig, aber trotzdem schauen wir uns mal in Ruhe um, die Räder gegen das Wohnmobil eines Zuschauers gelehnt, dessen Angebot, uns zu verpflegen, wir allerdings ablehnen, damit mein Rucksack mal um ein paar Kekse leichter wird.

km 573 - Das ist mein Terrain - leicht abfallendes bis flaches Gelände, endlich mal das große Kettenblatt und die Gelegenheit, Alex ein bisschen Windschatten zu bieten. Prompt seh ich nur noch aus dem Augenwinkel, dass ein paar Entgegenkommende uns heftigst grüßen. Alex klärt mich auf: Rainer und Christian sind schon auf dem Rückweg. Chapeau! Das riecht, als wollten die beiden die 70h-Marke anpeilen.

km 577 - Mal wieder Pause machen, traditionell an einer Einmündung. Alex muss irgendwas an Kette oder Getriebe friemeln; bei dem Wasser, was da von oben gekommen ist, ist ja auch ein bisschen Kettenpflege nicht zuviel verlangt. Da es aber zunehmend sonniger und angenehmer geworden ist, hocke ich mich währenddessen auf eine Art Mauer und schaue dem fahrenden Volk zu. Ein Nicht-Randonneur mit Rennrad kommt aus der Gegenrichtung und gesellt sich zu mir, wobei er jeden Vorbeifahrenden anfeuert. Plötzlich höre ich meinen Namen von der gegenüberliegenden Straßenseite rufen: Namensvetter Christian aus Orchies ist auch schon auf dem Rückweg! Drei Sekunden müssen für gegenseitige gute Wünsche reichen, dann sind wir wieder außer Hörweite.


[13] - Alex überquert den Atlantik

[14] - Gegenwind von 5 Bf suggeriert hohe Fahrgeschwindigkeit

km 613 - Unangekündigte Bergwertung in Brest! Und dazu gibt's sogar einen Radweg *würg*. Von dem werden wir von einer Ordnungskraft aber gleich wieder runtergescheucht, denn am rechten Fahrbahnrand stehen Ambulanz und andere Fahrzeuge - das sieht nach üblem Unfall aus. Sehr übel sogar: Ein Randonneur liegt erstversorgt auf einem kleinen Stückchen Wiese, sein Rad irgendwo achtlos hingeworfen. Rechts daneben ein Kleinwagen mit einem kapitalen Frontschaden, wie ihn ein Radfahrer niemals erzeugen könnte. Völlig unklar, was da passiert ist, aber es ist ein mehr als mulmiges Gefühl, dort vorbeizufahren. Den Berg nehm ich dann gar nicht mehr als solchen wahr.
(Der verunfallte Randonneur hat übrigens alles gut überstanden, wie aus den offiziellen Unterlagen zu entnehmen ist.)

km 614 - Welch Kontrast! Plötzlich haufenweise Leute, Applaus, Begeisterung, Willkommensgrüße - die Brest-Kontrolle ist erreicht. Felix mit seinem Liegerad ist auch schon da, liegt in der Sonne und kaut an einem Löffel undefinierbarem. Wir hören zum ersten Mal von dem Gerücht, wegen des schlechten Wetters solle die Karenzzeit auf 92h hochgesetzt werden. Wer sich allerdings in Brühl oder Großenwieden über die 600 km qualifiziert hat, kann an dem herrschenden Wetter nichts besonderes entdecken, daher bleiben wir mächtig skeptisch.


[15] - Sizun: Vogel fliegt, Mensch radfährt

[16] - ...oder sitzt und kaut

km 654 - Nach der Pause in Sizun komm ich so gar nicht wieder in Schwung, man hat das Gefühl, dass keine Luft oder schweres Wasser in den Reifen ist und überhaupt. Mir graut es vor dem Moment, wo die Steigung zum Roc Trevezel ernsthaft beginnt.

km 660 - Die Steigung ist da, und genau das hab ich gebraucht. Plötzlich fühl ich mich fit und fahre da mit mäßigem Tempo problemlos hoch. Etwa 50 m vor mir eiert einer im grauen Trikot da lang; plötzlich ist er weg.

km 664 - Ein graues Trikot überholt mich und bedankt sich fürs Ziehen, will sich jetzt revanchieren. Der Schelm war die ganze Zeit hinter mir! Und ich dachte, das sei Alex; der aber hat eine unangekündigte Pinkelpause gemacht und hinkt ca. 1 Minute hinterher. Mit dem Mann aus Sydney klöne ich ein bisschen und fahre über den Pass - leider ist die Sicht durch den starken Dunst immer noch deutlich getrübt.

km 725 - "Alex, wart mal kurz." Dieses Mal worst case: Mein primärer Tacho ist ausgefallen! Ein uralter Sigma 1400, mit Kabel - und vor allem frischen Batterien und taufrischer Anzeige. Keine Ahnung, was da los ist; Rumgerüttel bleibt erfolglos. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als im Weiteren auf den zickigen Sigma 2006 zu vertrauen, der eigentlich nur eingeladen war, um die Höhenmeter zu messen. Der alte darf brav als Stoppuhr weiterlaufen.

km 729 - Wahrscheinlich holt uns die amerikanische Reisegruppe, die wir grad im Fluge überholt haben, gleich wieder ein, aber es muss sein: anhalten und schiffen. Der Vorgang ist so gut wie abgeschlossen, als die Gruppe auch schon auftaucht, hinter sich ein professionelles Kameramotorrad mit Mörder-Scheinwerfern im Schlepptau. Komm ich getz im Fernseeeen? Vielleicht lieber nicht...

km 742 - Kurz hinter Corlay, der Geheimkontrolle vom Hinweg, erliegen wir zum zweiten Mal den Verlockungen eines privaten Verpflegungstischchens und genehmigen uns einen Kaffee. Ein bisschen müssen wir bis zum Hotel ja auch noch wachbleiben. Die Amerikanerin neben uns, die unmittelbar vor uns losfährt, bezahlt mit einer 50-Cent-Münze. Ich bin verwirrt.

km 744 - Neee... also, nicht dass ich keine Hochachtung oder gar keine Dankbarkeit gegenüber den Menschen empfinde, die dort mitten in der Nacht aus reiner Begeisterung Kaffee und Kekse anbieten (es ist sogar noch schlimmer und ich bin mir sicher, dass ohne sie alle der Weg hierhin deutlich schmerzhafter gewesen wäre) - aber ich für meinen Teil bin mir sicher, sie mit einer Bezahlung grob zu beschämen. Ich musste das aber doch mal kurz so für mich selbst klären; 2 km sind dafür ja nicht zuviel.

km 757 - Dauerregen. Und eine ganz schlimme Strecke, man kann das nicht wirklich Asphalt nennen. Zum Glück ist die Topographie recht fordernd, so dass man sich über den Rest nicht noch mehr ärgern muss. Jammerschade, dass wir diesen Abschnitt beide Male im Dunkeln passieren.
Wir sind mitten in einer größeren Gruppe, wie es scheint vorwiegend Amerikaner, die wir nicht so richtig weder nach vorne noch nach hinten verlassen können. Jetzt wieder eine dieser steilen Rampen, wo man im Nu im kleinsten Gang fährt; mein Nebenmann versucht, sich das durch Mäandrieren etwas einfacher zu machen - oder ist er nur eingenickt? Jedenfalls driftet er nach links von der Fahrbahn ab, strandet auf dem mit Gras bewachsenen Randstreifen und lässt sich mit einem "Umpf, umpf!" in Zeitlupe gegen die Böschung fallen. Verdattert dreh ich mich um, aber da kämpft er sich auch schon wieder unter seinem Rad hervor.

km 795 - Endlich sind wir wieder im Hotel, wie geplant (bzw. befürchtet) um 3:00 nachts. Die Besitzer haben aber die Garage und Türen offen gelassen und sich sogar bereit erklärt, um 7:30 ein Frühstück aufzutischen, damit wir mal in angenehmer Umgebung etwas essen können. Lecker! Und tatsächlich kommen wir, nach einem rührenden Abschied und nicht ohne das Versprechen, unbedingt über unser weiteres Schicksal per Mail zu berichten, pünktlich um 8:00 wieder auf die Straße.

km 797 - Es fängt an zu regnen. Es ist unglaublich kalt, wenn man müde ist und dann in die noch feuchten Klamotten gestiegen ist. Auch wenn wir uns jetzt gefährlich nahe am (virtuellen) Kontrollschluss befinden, sind wir sofort wieder auf eine größere Gruppe gestoßen und kommen dann, nach einem leichten, aufwärmenden Anstieg auch ganz flott voran.

km 821 - Zweite Geheimkontrolle, die uns traditionell morgens zu erwischen scheint. Natürlich nieselt es wieder. Und auch Kollege K. (dessen Namen mir leider entfallen ist) ist zeitgleich da, obwohl er schon seit hunderten von Kilometern außer extrem gesüßtem Tee keinerlei Nahrung bei sich behalten kann. Hut ab! Wie man unter den Umständen so weit kommen kann ist mir völlig schleierhaft.


[17] - Schilder helfen einem, sein Fahrrad richtig orientiert einzuparken

km 859 - Unmittelbar vor der Kontrollstelle in Tinteniac (der Name erinnert mich auch beim 523. Lesen immer nur an "Tintagel") machen wir eine Sandwich-Pause in einem kleinen Restaurantchen. Auf der unmittelbar davor liegenden Abfahrt macht ein Traktor auf einmal eine Vollbremsung, der hinter ihm fahrende Randonneur bietet alle Brems- und Steuerkünste auf und kommt ungeschoren davon. Gerettet wurde dadurch eine Sonnenbrille, die ein vorausfahrender Gefährte - vermutlich unabsichtlich - abgeworfen hatte.

km 860 - Rekordbesuch einer Kontrollstelle: Anhalten, Buch stempeln lassen und Magnetkarte durchziehen, abfahren. Eine gerechte Strafe für die pappigsten Nudeln aller Zeiten, die wir hier auf der Hinfahrt essen mussten.

km 875 - Die Rekordjagd geht weiter. Die relativ flache und gut asphaltierte Strecke sowie ein diskreter Rückenwind schrauben unsere Reisegeschwindigkeit auf knappe 30 km/h. Uns selbst ist das etwas unheimlich, aber das Geschenk kann man nicht ablehnen. We make friends all over the world und unterhalten uns mit einem Norweger, den wir "auffahren", und der uns von den Aktivitäten der texanischen Randonneure berichtet. Diese haben einen 20 Meilen langen Rundkurs eingerichtet, auf dem sie Brevets trainieren - inkl. 24h-Läufe sowie 500- und 1000-Meilen-Brevets. Soll man sowas wirklich glauben? Andererseits - Land der unbegrenzten Möglichkeiten...

km 942 - Auf dem leicht welligen Terrain liefern wir uns ein Scharmützel mit einem vollverkleideten Lieger. Das Ding überholt uns auf den Gefällstrecken mit ungefähr 84 km/h oder so, bleibt dafür an den Steigungen fast stehen.
Alex hat zum Geburtstag ein Buch über PBP geschenkt bekommen mit einem Kapitel "Die Frage nach dem Sinn". Ich denke über diese Überschrift nach. Und merke, dass ich mir diese Frage gar nicht stelle - nie gestellt habe. Im Gegenteil finde ich das alles so spaßig und spannend, kurzweilig - mit dem randonnieren, wie ich es bislang kennengelernt habe, dem einsamen Sich-Durchschlagen, hat das alles gar nicht mehr viel zu tun. Und die Tatsache, dass man quasi auf jedem Streckenkilometer jemandem begegnet, der einen anfeuert - und wenn es nur aus entgegenkommenden Autos ist - sorgt schon dafür, dass trübe Gedanken nicht wirklich aufkommen wollen. Natürlich ist es auch hilfreich, dass mein Körper bislang bestürzend gut mit der Aktion hier klarkommt, das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich seit neuestem vorne dreifach fahre und daher an den Anstiegen zwei leichtere Gänge an Bord hab als sonst. An den reichlich vorhandenen ruppigen kurzen Anstiegen spart das ungemein Muskelkraft.

km 962 - Wir entdecken bei einer Ortsdurchfahrt einen kleinen "8 à 8"-Supermarkt, der strategisch ungeschickt etwas versteckt rechts von der Strecke liegt. Auch hier kein Vanille-Milchreis, so versuche ich mich diesmal an gesüßtem Naturjoghurt. Außer Randonneuren scheint der Laden heute keine Kundschaft zu haben, und der Kassier verabschiedet uns mit einem aufmunterndem "Bon courage!".

km 1002 - Kontrolle in Villaines und Schrecksekunde: Beim Verlassen der Kontrollstube macht sich Alex' Oberschenkel selbständig und zerrt, auch an den Nerven. Den Krampf kann er gerade noch abwenden; vorsichtig eiern wir zur Restauration, um uns zu verpflegen. An der Kasse werden wir von Schulkindern erwartet, die den inzwischen arg mitgenommenen Randonneuren die vollen Tabletts in den Speisesaal tragen. Eine immens rührende Geste, die wir - mal wieder - gar nicht richtig wechseln können außer uns überschwenglich zu bedanken.

km 1004 - Ganz sachte, um Alex' Oberschenkel erstmal zu testen, verlassen wir Villaines. Fühlt sich aber alles ganz gut an, und damit wird auch offiziell bekannt gegeben, dass wir die letzte Nacht "im Wesentlichen" durchfahren werden. Es sind ja auch nur noch gut 220 km, also ein stinknormaler Marathon. Da Aufgeben ja eh keine Option ist, hatte ich mir ganz heimlich als Ziel eine Zeit unter 85h gesetzt; das ist damit auf einmal auch recht realistisch.

km 1023 - Mitten im Nirgendwo ein Dorf, darin ein Café und ein höllischer Trubel. Zwei von drei durchkommenden Fahrern nutzen die Gelegenheit zu einem Imbiss oder einem Schluck Kaffee; auch wir können der Versuchung nicht widerstehen.

km 1054 - Die subjektiv empfundene Geschwindigkeit geht gegen Null, außerdem sind wir beide trotz des Nirgendwo-Kaffees bedenklich müde. Unter einer Brücke unweit der berüchtigten "gefährlichen Kreuzung" (vgl. km 188) pausieren wir ein bisschen, um uns zu lockern und irgendeinen Kleinkram aus dem Nahrungsmittelsack zu essen. Immerhin ist es hier unten garantiert trocken.

km 1082 - Ich hatte völlig vergessen - oder gar nicht gemerkt - wie grässlich bergig es um Mortagne au Perche ist. Die letzten Kilometer ziehen sich endlos über steile Wellen dahin. Pünktlich hat auch wenige Kilometer vor der Kontrollstelle der traditionelle Kontrollstellenregen wieder eingesetzt.

km 1085 - In Mortagne au Perche gibts einen Berg leckerer Bolognese-Pasta. Auf der Suche nach einem freien Sitzplatz steuern wir auf die hinteren Tischreihen zu, die unbelegt aussehen. Unbelegt ist aber nicht der Fußboden dort, wo sich dutzende von Fahrern ein Nickerchen gönnen. Will man die letzte Nacht nicht durchfahren, ist das wohl der beste Ort für etwas Erholung. Wir begnügen uns mit einem 15-minütigem Dauerschlaf am Tisch und fahren dann wieder in die verregnete Landschaft.


[18] - Auch Kanadier müssen hin und wieder schlafen

km 1111 - Nothalt in Marchainville. Alex hat einen akuten Müdigkeitsanfall und muss sich widerwillig zum echten Randonneur schlagen lassen, indem er sich an eine Häuserwand setzt und einen Kurzschlaf nimmt. Währenddessen verspeise ich eine halbe Tüte Weingummi und beobachte die Vorbeireisenden.

km 1111 - Nothalt in Marchainville. Nach nur 500 m fahren wir auf eine zwanzigköpfige Gruppe auf, die diskutierend die Straße verstopft. Der Fahrer des "Stoßmich-Ziehdich"-Tandems klärt mich auf: Missliebige Zeitgenossen haben ein Seil quer über die Fahrbahn gespannt und Öl auf die Strecke gekippt. Es soll bereits Stürze gegeben haben, aber zum Glück wurde durch das Seil niemand verletzt. Ein französischer Kollege ruft den nächsten Polizeiposten an, aber der Mensch am anderen Ende der Leitung ist von der Existenz des Ortes Marchainville wohl nicht wirklich zu überzeugen. Nach einigen weiteren ratlosen Minuten fahren wir einfach weiter; zum Glück ohne besondere Vorkommnisse.

km 1136 - Noch 22 km bis Dreux, der letzten Kontrollstelle, bei der man sich traditionell wie schon fast daheim fühlt. So einfach die Strecke ausschaut, völlig plan ist die Landschaft mit einer hineingeworfenen überraschend kurvigen Straße, so furchtbar hat sich der raue Asphalt dieses Abschnitts einem jeden in Füße, Sitzfläche und Hirn eingebrannt. Einziger Anhaltspunkt ist ein großes Steingebäude irgendwo mitten im Nichts, dass wir sinnlos einem blinden Adler gleich zu umkreisen scheinen.

km 1158 - Nach völlig verwirrender Ortseinfahrt Kontrolle in Dreux. Ich sollte was essen, eiere aber zwischen den Angeboten völlig ziellos umher und fühle mich eigentlich gar nicht hungrig. Aus Verzweiflung nehme ich ein Schinken-Sandwich nebst traditioneller Cola. Nachdem Alex und ich uns das zeug reingewürgt haben, entschließen wir uns zu einer weiteren 15-minütigen Sitz-Schlafpause - die aber nur 12 Minuten währt, dann reißt mich jähe Übelkeit aus dem Schlummer und ich stürze am Eingangsordner vorbei ins Freie, um Frischluft zu atmen. Hilft. Dafür entsteht jetzt eine mächtige Magen-Darm-Pein, die ich nicht entsorgt kriege. Was tun? Richtig: Weiterfahren. Spätestens jetzt ist aber der 85h-Traum geplatzt. Ist mir aber völlig wurscht grad.

km 1164 - Wir fahren auf ein Trio mit zwei Italienerinnen auf, und da Alex fast perfekt italienisch parliert, make we friends all over the world. Als Fünfergruppe funktionieren wir prima und lösen uns in der Führungsarbeit regelmäßig ab, aber ich merke schon jetzt, dass das keine Fahrweise ist, die ich im momentanen Zustand lange durchhalten kann.

km 1183 - Ich versaue Alex den Vormittag und muss mich zurückfallen lassen.

km 1186 - Alex hat sich von der Gruppe verabschiedet und begleitet mich wieder. Ich instruiere ihn, rechts von mir zu fahren, da ich im Falle eines Falles nicht beabsichtige, auf die Schaltwerkseite zu brechen.

km 1217 - Wo kommen plötzlich die ganzen Fahrer her? Sowohl von vorne wie auch teilweise von hinten (wir scheinen immer noch etwas schneller zu fahren als der Durchschnitt) klumpt sich ein etwa 20 Köpfe großes Feld zusammen, auch die Italiener sind wieder dabei.

km 1227 - Der Kreisverkehr am Ziel ist erreicht! Hunderte stehen am Straßenrand und applaudieren, als unsere Gruppe dort einfährt. Vor Begeisterung bemerken die vorne fahrenden nicht die heftige Gestik des Einweisers, der uns nach rechts in Stadion schleusen will, so dass dem armen Mann nichts anderes bleibt als sich dünn zu machen, als 3/4 der Truppe links an ihm vorbei zu einer weiteren Runde ansetzt. Macht nichts, gibts halt nochmal Applaus. Vor lauter Konzentration, mich beim Überfahren des Holzbrettes, das den Bordstein zur Einfahrt ins Gymnasium überwindet, nicht lang zu legen, kann ich diesen wirklich großen Moment aber gar nicht richtig genießen. Der unvermeidliche Tom ist auch schon im Stadion und wirkt extrem duschbedürftig. Wir quatschen uns kurz gegenseitig voll, und dadurch verliere ich auf Alex in der Gesamtwertung eine Minute. Ich nehme ihm das aber nicht übel.

Dessert

Drei Stunden später bin ich nach einer 8km-Rückfahrt und einem Entspannungsbad in viel zu kleiner Wanne in meinem Hotelbett und falle in einen sofortigen Tiefschlaf. Weitere vier Stunden später weckt mich meine Schwester, die vom 90-stündigen Paris-Erforschen (allerdings mit mehr Schlafpausen) zurückkommt. Mein Körper ist unterdessen wohl in eine Art Schutzstarre gefallen und lässt sich kaum mehr bewegen; jeder Muskel ist ein Brett. Ich würge mir einen halben Liter Wasser und zwei Nektarinen rein und schlafe einfach weiter.

Einen Tag später fühle ich mich zwar immer noch ganzkörpermüde, hab aber wunderlicherweise keine Muskelbeschwerden; nur aus den brennenden Füßen sind ein paar (genauer: zehn) taube Zehen geworden. Ähnlich ergeht es den jeweils drei äußeren Fingern. Ein Spaziergang durchs Dorf und abends eine Exkursion in den Schlosspark von Versailles tut gut - noch besser tut aber das anschließende Abendessen!

Drei Tage später wieder arbeiten, zurück in der Normalität - kein Held mehr sein, dem an den Kreuzungen Platz gemacht wird, wie ernüchternd! Aber es bleibt das angenehme Gefühl, etwas besonderes geschafft zu haben - was sich hoffentlich nicht durch ein leicht debiles Dauergrinsen auf meinem Gesicht bemerkbar macht. Claus Czycholl zitiert auf seinen Webseiten einen Finisher von 1995: "Nach PBP ist man nicht mehr der selbe!". Bin ich noch derselbe? Wenn's nach ca. 95% meiner Bekannten geht: Nein - sondern ein offiziell zertifizierter Bekloppter ;-)

Hast du noch eine Statistik für mich, Feuerstein?

Grobstruktur

AbschnittStreckeBrutto-ZeitNetto-ZeitHöhenmeterbrutto-Schnittnetto-SchnittBAK
SQY - Hotel437.8225:15'19:25'388817.2822.500.888
Hotel (03:02) - Brest - Hotel (03:14) 363.3324:12'17:57'391215.0020.221.076
Hotel - SQY438.4028:46'20:57'375915.1820.880.857
Summe1239.5585:56'58:19'1155914.4021.240.932

Zeittafel

ZeitKontrollstelleDiff. zum Limit**kmSchnittNetto-Schnitt*Höhenmeter*Bemerkung
20.08., 22:50Start in SQY0:00------------
21.08., 05:35Mortagne au Perche---14020.723.91171
21.08., 10:36Villaines La Juhel-1:24'8216.321.9789
21.08., 15:46Fougeres-2:14'8817.021.9818
21.08., 19:08Tinteniac-3:02'5516.321.9331
22.08., 04:13Loudeac-0:22'859.420.0899inkl. Schlafpause ca. 3h
22.08., 09:30Carhaix-Plouger-0:55'7514.220.3789
22.08., 15:10Brest-1:35'9015.920.9814
22.08., 20:56Carhaix-Plouger-2:29'8414.620.4943
23.08., 02:08Loudeac-3:22'7614.619.2721
23.08., 11:48Tinteniac-0:27'858.821.3777inkl. Schlafpause (4:45') und Kontroll-Verpflegung Tinteniac
23.08., 14:19Fougeres-2:165521.623.1428ohne Kontroll-Verpflegung
23.08., 20:01Villaines La Juhel-3:39'8715.321.4921
24.08., 02:07Mortagne au Perche-3:23'8213.419.3764
24.08., 07:29Dreux-3:117413.820.2447
24.08., 12:46Ziel SQY-4:04'7213.720.2490

* Diese Werte hat Alex in mühseliger Kleinarbeit aus den Rohdaten seines HAC4 herausdestilliert.
** Bezug sind die Kontrollschlusszeiten laut offizieller Tabelle. Ob es für später als 21:30 gestartete entsprechende Zuschläge gab, ist mir nicht bekannt.
Mehr Statistik inkl. Höhendiagramme gibt es auf
Alex' Webseiten.

Anmerkungen

Bildnachweise

Alex: [3],[4], [7]-[10], [14]-[17]
Christian: [1],[2], [5], [6], [11]-[13], [18]
Kerstin: [19]-[20]

Danksagung

Zum Gelingen eines solchen Unternehmens tragen natürlich viele Leute bei. Tief und nachhaltig beeindruckt haben mich aber die Begeisterung, der Idealismus und die Einsatzbereitschaft tausender namenlos gebliebener Helfer unterwegs und an den Kontrollpunkten sowie der unzähligen Zuschauer an der Strecke.

Weiterführende Literatur

Der Autor

...nebst embedded reporter

[19] - Links die Winter-, rechts die Sommer-Kollektion

[20] - Was unterwegs schlecht geht: Beine übereinanderschlagen
Die Mailadresse steht ganz oben. Man muss sie nur richtig zusammensetzen.


Originale Version: 30.08.2007 - 11.09.2007
Last modified: Thu Dec 11 02:55:35 CET 2008

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